Rechtliche Betreuung – Betreuerbestellung

§ 1814
Voraussetzungen

(1) Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer).

Zu § 1814 (Voraussetzungen)
§ 1814-E ersetzt § 1896 BGB. Als „Fundamentalnorm“ des Betreuungsrechts legt
nunmehr § 1814 BGB-E die Voraussetzungen fest, bei deren Vorliegen der Staat
verpflichtet ist, Erwachsenen, deren rechtliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigt ist,
Schutz und Fürsorge durch Bereitstellung des Rechtsinstruments der rechtlichen
Betreuung zu gewähren. Die rechtliche Betreuung stellt damit eine „geeignete
Maßnahme“ im Sinne von Artikel 12 Absatz 3 UN-BRK dar, durch die Menschen mit
Behinderungen Zugang zu der Unterstützung verschafft wird, die sie bei der Ausübung
ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen. Zugleich bestimmt §
1814 BGB-E aber auch die Schwelle für den mit der Anordnung einer rechtlichen
Betreuung verbundenen Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen auf freie und
selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit.
Zur besseren Verwirklichung des Erforderlichkeitsgrundsatzes wird der bisherige § 1896
BGB in zwei Vorschriften aufgeteilt. Während in § 1814 BGB-E die allgemeinen
Voraussetzungen für eine Betreuerbestellung genannt und die grundsätzliche
Erforderlichkeit einer Betreuung in Abgrenzung zur Vorsorgevollmacht und zu
anderweitiger Unterstützung bestimmt werden, wird der Umfang der Betreuung künftig in
§ 1815 BGB-E geregelt.

(2) Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer).

Zu Absatz 1
Absatz 1 entspricht im Wesentlichen § 1896 Absatz 1 Satz 1 BGB, enthält aber
einige wesentliche Änderungen.

Anders als im geltenden Recht wird der tatsächliche Handlungsbedarf, also die
Unfähigkeit des Volljährigen, seine Angelegenheiten zu besorgen, als erste
Voraussetzung genannt. Hierdurch soll die Prüfung der Notwendigkeit der
Bestellung eines Betreuers weniger auf die medizinische Feststellung von Defiziten
der betreffenden Personen fokussiert werden, vielmehr soll der konkrete
Unterstützungsbedarf in den Vordergrund gestellt werden. Nicht der medizinische
Befund einer Krankheit oder Behinderung soll das vorrangig festzustellende
Tatbestandselement sein, sondern der individuell und konkret zu bestimmende
objektive Unterstützungsbedarf. Um nur solchen Unterstützungsbedarf als
betreuungsrelevant zu kennzeichnen, der durch einen Betreuer wahrgenommen
werden könnte und müsste, wird das Unvermögen zur Besorgung der
Angelegenheiten durch die Einschränkung „rechtlich“ konkretisiert.
Obwohl teilweise kritisiert wird, dass die Bestellung eines Betreuers an bestimmte
Erkrankungen oder Behinderungen anknüpft, da bei bestimmten Diagnosen
teilweise eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit vermutet werde und
diese Anknüpfung dazu führen könne, dass für Personen mit diesen Diagnosen
vorschnell ein rechtlicher Betreuer bestellt wird, bestand unter den am
Diskussionsprozess teilnehmenden Expertinnen und Experten weitgehende
Einigkeit, dass zur Bestimmung der Betreuungsbedürftigkeit neben dem objektiven
Unterstützungsbedarf auch das Erfordernis einer subjektiven
Betreuungsbedürftigkeit weiterhin erhalten bleiben sollte. Die Streichung einer
solchen subjektiven Anknüpfung hätte zur Folge, dass die Schwelle zur Bestellung
eines rechtlichen Betreuers dahingehend abgesenkt würde, dass bereits die
(partiell) fehlende rechtliche Handlungsfähigkeit einer Person ausreichen würde, um
die Bestellung eines rechtlichen Betreuers zu rechtfertigen. Damit würden in den
Anwendungsbereich der rechtlichen Betreuung auch solche Menschen einbezogen,
die ein aus gesellschaftlicher oder staatlicher Sicht nicht toleriertes Verhalten an den
Tag legen, ohne dass dies auf der Grundlage eines hinreichenden medizinischen
Befunds kausal auf eine Erkrankung oder Behinderung zurückzuführen ist. Vor dem
Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die
Anordnung einer rechtlichen Betreuung einen Eingriff in das durch Artikel 2 Absatz 1
in Verbindung mitArtikel 1 Absatz 1 GG garantierte Recht auf freie und
selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom

  1. März 2016 – 1 BvR 184/13, st. Rspr.), ist eine solche Erweiterung des
    Anwendungsbereichs nicht geboten. Vielmehr wird gerade dadurch, dass der
    objektive Betreuungsbedarf und die subjektive Betreuungsbedürftigkeit sowie die
    Kausalität zwischen beiden Tatbestandsmerkmalen kumulativ vorliegen müssen, um
    die Bestellung eines Betreuers zu rechtfertigen, die notwendige Schwelle errichtet,
    die Erwachsene – neben dem Erforderlichkeitsgrundsatz – vor einer übermäßigen,
    nicht zu rechtfertigenden rechtlichen Betreuung schützt. Das Erfordernis des
    kumulativen Vorliegens der drei Tatbestandsmerkmale verhindert zudem, dass aus
    einer festgestellten Diagnose vorschnell auf eine Betreuungsbedürftigkeit
    geschlossen wird. Durch dieses Erfordernis, ergänzt um den
    Erforderlichkeitsgrundsatz, wird zum einen eine Diskriminierung von Menschen mit
    Behinderungen ausgeschlossen. Zum anderen ist nicht allein die Komplexität oder
    Schwierigkeit des Regelungsbedarfs ausschlaggebend, für deren Bearbeitung in der
    Regel anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen wird.
    Allerdings soll zur Vermeidung von Diskriminierungen die bisherige Formulierung
    dahingehend geändert werden, dass die Eingrenzung auf eine nur psychische
    Krankheit und eine nur körperliche, geistige oder seelische Behinderung gestrichen
    und künftig nur noch an eine Krankheit oder Behinderung angeknüpft wird. Im Lichte
    der UN-BRK erscheint es nicht mehr angezeigt, psychische Erkrankungen

besonders herauszustellen und damit die Gruppe der hiervon betroffenen Menschen
als besonders betreuungsbedürftig hervorzuheben. Der potentielle Personenkreis,
für den eine Betreuung als grundsätzlich in Betracht kommend im Gesetz
beschrieben ist, soll damit gegenüber dem geltenden Recht nicht verändert werden,
d.h. weder soll der Adressatenkreis ausgeweitet werden, noch sollen Menschen mit
Behinderungen von vornherein von dem Zugang zur rechtlichen Betreuung
ausgeschlossen werden. Ziel der Neuregelung ist daher nicht eine Veränderung des
Personenkreises, für den eine Betreuung in Betracht kommt, sondern eine
sprachliche Neufassung, die veraltete und potentiell stigmatisierende Begriffe durch
zeitgemäße Begriffe ersetzt. Die Aufgabe des Merkmals „psychisch“ im
Zusammenhang mit der Krankheit trägt auch dem Umstand Rechnung, dass es
häufig körperliche Erkrankungen gibt, die aufgrund ihrer Schwere einen
Betreuungsbedarf begründen, ohne dass es sich schon um eine Behinderung
handelt. Auch kann so der Vielfalt der Erkrankungsformen, die im herkömmlichen
System nicht richtig erfasst werden können, wie z.B. organischen Erkrankungen mit
psychischen Symptomen, besser Rechnung getragen werden.
Die Befürchtung, dass durch die Aufgabe der Einschränkung auf psychische
Krankheiten der Kreis der Personen, für die ein Betreuer bestellt werden kann,
deutlich ausgeweitet wird und nunmehr auch vergleichsweise geringfügige
körperliche Erkrankungen oder solche Erkrankungen, die nur ganz vorübergehender
Natur sind, ausreichen, erscheint unbegründet. Schon im geltenden Recht ist eine
bestimmte Schwere einer psychischen Erkrankung keine ausdrückliche
Tatbestandsvoraussetzung. Allerdings wirkt sich der Grad der Störung auf die
Fähigkeit, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, aus und wird in diesem Rahmen
berücksichtigt. Auch der weiteren Befürchtung, dass durch die Streichung des
Adjektivs „psychisch“ in Zukunft sämtliche Abhängigkeitserkrankungen die
Grundlage für die Bestellung eines Betreuers bilden könnten, was bisher durch die
Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen war, soll hier ausdrücklich
entgegengetreten werden. Bei dem Ausschluss einer bloßen
Abhängigkeitserkrankung mit der Begründung, eine solche Erkrankung sei keine
psychische Krankheit „im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB“ (BGH, Beschluss
vom 13. April 2016 – XII ZB 95/16, st. Rspr.), liegt der Schwerpunkt der Feststellung
eher auf der „Krankheit im Sinne dieser Vorschrift“ als auf deren Charakterisierung
als „psychisch“, da sowohl in der medizinischen Terminologie als auch nach der
Gesetzesbegründung zu § 1896 BGB (Bundestagsdrucksache 11/4528, S. 116)
Abhängigkeitskrankheiten sehr wohl als psychische Krankheiten anzusehen sind.
An dieser Rechtsprechung kann daher auch ohne das Adjektiv „psychisch“
festgehalten werden, wenn wie bisher darauf abgestellt wird, dass eine
Abhängigkeitserkrankung für sich genommen keine „Krankheit im Sinne dieser
Vorschrift“ ist.
Die Aufgabe der Bezeichnung bestimmter Arten einer Behinderung im Normtext
beruht auf der Überlegung, dass es viele Bilder von potentiellen Beeinträchtigungen
der rechtlichen Handlungsfähigkeit gibt, die sich nicht in eine der im Normtext des §
1896 Absatz 1 Satz 1 BGB benannten Arten von Behinderungen einsortieren
lassen, gleichwohl aber einen Betreuungsbedarf begründen. Insbesondere die
mangelnde Klarheit des Begriffs „seelische Behinderung“, der in erster Linie dazu
dient, Regelungslücken zu verhindern (vgl. Jürgens/Jürgens, Betreuungsrecht, 6.
Aufl. 2019, § 1896 Rn. 6), spricht dafür, die Unterscheidung verschiedener
Behinderungsarten aufzugeben. Auch wenn diese Überlegung bereits im Rahmen
der Einführung des Betreuungsrechts angestellt und damals mit der Begründung
verworfen wurde, dass sozial unangepasstes Verhalten keine Betreuung

rechtfertigen könne (Bundestagsdrucksache 11/4528, S. 117), ist aus heutiger Sicht
eine Zusammenschau der subjektiven Betreuungsbedürftigkeit, des objektiven
Unterstützungsbedarfs und der Kausalität zwischen beiden Merkmalen am besten
geeignet, die Fälle zu definieren, in denen eine Betreuerbestellung zwingend
erforderlich ist. Es ist nicht zu befürchten, dass ein bloßes kriminelles Verhalten zum
Anlass für die Bestellung eines Betreuers genommen wird.
Schließlich enthält Absatz 1 eine Legaldefinition des rechtlichen Betreuers. Um nicht
in jeder Gesetzesnorm von dem „rechtlichen Betreuer“ sprechen zu müssen, wird
klargestellt, dass im Kontext dieses Gesetzes immer dann, wenn der „Betreuer“
genannt wird, der „rechtliche Betreuer“ gemeint ist.

(3) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.

Zu Absatz 2
Absatz 2 entspricht § 1896 Absatz 1a BGB.

(4) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen

Zu Absatz 3
Absatz 3 nimmt die Regelung des § 1896 Absatz 2 BGB auf und regelt den
Grundsatz der Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers. Dabei bezieht sich
Satz 1 auf die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung, Satz 2
enthält den Grundsatz des Nachrangs der Betreuung.

  1. durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1816 Absatz 6
    bezeichneten Personen gehört, gleichermaßen besorgt werden können oder

Zu Nummer 1
Wie bisher, gilt auch weiterhin der mit Verfassungsrang ausgestattete
Erforderlichkeitsgrundsatz für das Betreuungsrecht. Der grundsätzliche
Eingriffscharakter der Bestellung eines Betreuers besteht auch dann, wenn diese
mit dem vollen informierten Einverständnis des Betroffenen erfolgt, der Betreuer bei
der Betreuungsausübung stets die Vorgaben des § 1901 BGB beachtet und von
stellvertretenden Handlungen grundsätzlich absieht. Denn wie vom
Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 23.03.2016, 1 BvR 184/13, st.
Rspr.) festgestellt, ist mit der Bestellung eines Betreuers strukturell die Zuweisung
einer rechtlichen oder tatsächlichen Mitverfügungsgewalt verbunden, auf deren
Ausübung der Betreute nicht immer eigenverantwortlich Einfluss nehmen kann.
Diese Mitverfügungsgewalt besteht zum einen in der Verleihung der grundsätzlichen
Vertretungsbefugnis an den Betreuer, die mit dessen Bestellung verbunden ist. Die
dem Betreuer verliehene Mitverfügungsgewalt erschöpft sich aber nicht in der
Vertretungsbefugnis, sondern je nach Aufgabenkreis kommen ihm u.U. auch
weitergehende Fremdbestimmungsbefugnisse zu, die gewöhnlich nicht mit einer
Stellvertretung im Rechtssinne verbunden werden, etwa die Befugnis zur
Umgangsbestimmung, zur Telefon- und Postkontrolle oder zur
Aufenthaltsbestimmung. Auch hat die Bestellung eines Betreuers häufig
Einschränkungen für den Betreuten in tatsächlicher Hinsicht zur Folge, da er
teilweise im Rechtsverkehr, z.B. von Behörden, Banken oder Ärzten, nicht mehr als
vollwertiger Ansprechpartner akzeptiert wird. Die rechtliche Betreuung weist mithin

einen Doppelcharakter als Schutz- und Fürsorgemaßnahme und als Eingriff auf
(siehe grundlegend Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 75 ff).
Anders als im geltenden Recht soll die grundsätzliche Erforderlichkeit der
Betreuerbestellung nicht nur über die Erforderlichkeit einzelner Aufgabenkreise (so
§ 1896 Absatz 2 Satz 1 BGB) definiert werden, vielmehr soll in Absatz 3 durch das
Zusammenspiel von Satz 1 und 2 geregelt werden, wann die Bestellung eines
Betreuers überhaupt zulässig ist.
Zu Satz 2
Satz 2 enthält den Grundsatz des Nachrangs der rechtlichen Betreuung gegenüber
anderen Unterstützungsformen, der derzeit in § 1896 Absatz 2 Satz 2 BGB geregelt
ist. Die Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung liegt gerade dann nicht vor, wenn
eine ausreichende anderweitige Unterstützung vorhanden ist. Mit der Aufzählung in
Nummer 1 und 2 sind beispielhaft die Fälle genannt, in denen die Erforderlichkeit
der Bestellung eines Betreuers entfällt. Diese Aufzählung ist jedoch – wie auch
bisher diejenige in § 1896 Absatz 2 Satz 2 BGB (vgl. Jürgens/Jürgens,
Betreuungsrecht, 6. Aufl. 2019, § 1896 Rn. 18) – nicht abschließend, vielmehr kann
nach der Grundnorm des Satzes 1 auch in den von Satz 2 nicht erfassten Fällen die
Erforderlichkeit entfallen.
Dies kann der Fall sein, wenn zum Beispiel eine Vertretung im Rahmen der
Geschäftsführung ohne Auftrag erfolgt oder ein vorübergehendes Vertretungsrecht
eines Ehegatten oder Lebenspartners kraft Gesetzes nach § 1358 BGB-E besteht.
Neu eingeführt werden soll mit dieser Vorschrift ein zeitlich befristetes gegenseitiges
Notvertretungsrecht von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge. Das
gesetzliche Vertretungsrecht greift in der Regel dann ein, wenn eine akut
eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigung eines Ehegatten infolge eines Unfalls
oder einer Erkrankung eine ärztliche Akutversorgung notwendig macht. Soweit der
vertretende Ehegatte auf der Grundlage und im Rahmen dieses Vertretungsrechts
den aktuellen rechtlichen Regelungsbedarf umfassend erledigen kann, ist die
gerichtliche Bestellung dieses Ehegatten oder auch einer anderen Person als
Betreuer nicht erforderlich. Ausgeschlossen ist das Vertretungsrecht nach § 1358
Absatz 3 Nummer 3 BGB-E allerdings, soweit für den zu vertretenden Ehegatten
bereits ein Betreuer bestellt ist und dessen Aufgabenkreis die in § 1358 Absatz 1
BGB-E genannten Angelegenheiten der Gesundheitssorge umfasst. Insoweit geht
die Betreuung vor. Deckt der Aufgabenkreis des Betreuers nur teilweise die in
Absatz 1 beschriebenen Aufgaben ab, ist der Ehegatte nur von der Vertretung nach
§ 1358 BGB-E ausgeschlossen, soweit der Aufgabenkreis des Betreuers reicht. Ist
der vertretende Ehegatte zum Betreuer bestellt, handelt er nicht im Rahmen des §
1358 BGB-E, sondern als Betreuer. Eine bereits bestehende Betreuung ist also
auch dann nicht aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Entstehung des
Ehegattenvertretungsrechts eintreten.
Ist zum Zeitpunkt des Eintritts der das Ehegattenvertretungsrecht auslösenden
Bewusstlosigkeit oder Krankheit ein Betreuungsverfahren bereits eingeleitet oder
kommt es während der für das Vertretungsrecht gesetzlich vorgesehenen
Geltungsdauer zur Einleitung eines Betreuungsverfahrens, hat das
Betreuungsgericht die Erforderlichkeit der Bestellung eines
Betreuers im Einzelfall zu prüfen. Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers
kann – trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 1358 BGB-E – etwa dann
gegeben sein, wenn der vertretende Ehegatte das Vertretungsrecht aufgrund
eigener Erkrankung, Behinderung oder Verhinderung nicht ausüben kann. Dies gilt

auch dann, wenn das Betreuungsgericht feststellt, dass der vertretende Ehegatte
nicht entsprechend der – über § 1358 Absatz 6 BGB-E auch für ihn geltenden –
Vorgaben des § 1821 Absatz 2 bis 4 BGB-E handelt. Wird während der
Geltungsdauer des gesetzlichen Ehegattenvertretungsrechts ein Betreuer für die
hiervon erfassten Angelegenheiten bestellt, besteht die Berechtigung des
vertretenden Ehegatten nicht mehr (§ 1358 Absatz 5 BGB-E).
Zu Nummer 1
Nummer 1 benennt als einen Fall der fehlenden Erforderlichkeit das Vorhandensein
eines Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1816 Absatz 6 BGB-E genannten
Personen gehört. Dieser Fall entspricht damit grundsätzlich § 1896 Absatz 2 Satz 2
erste Alternative BGB, wobei der ausgeschlossene Personenkreis auf sämtliche
Personen erweitert wird, die zu einem Träger von Einrichtungen oder Diensten, die
in der Versorgung des Volljährigen tätig sind, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder
einer anderen engen Beziehung stehen. Damit werden die Fälle deutlich
ausgeweitet, in denen das Betreuungsgericht trotz des Bestehens einer
Vorsorgevollmacht einen Betreuer bestellen und hierdurch einen gegebenenfalls
drohenden Missbrauch der Vollmacht von vornherein verhindern kann. Geändert
worden ist zudem der Vergleichsmaßstab zur Besorgung der Angelegenheiten
durch einen Betreuer. Während bisher in der Formulierung „ebenso gut“ ein
Qualitätsaspekt enthalten ist, soll nunmehr klargestellt werden, dass
Vergleichsmaßstab nicht eine bestimmte Qualität („gut“) ist, sondern eine mit einer
Betreuung vergleichbare Besorgung der Angelegenheiten („gleichermaßen“).

  1. durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird,
    erledigt werden können, insbesondere durch solche Unterstützung, die auf sozialen Rechten oder anderen Vorschriften beruht.

Zu Nummer 2
Nummer 2 stellt den Vorrang anderer Hilfen vor einer Betreuerbestellung klar und
konkretisiert diesen. Die Gesetzesformulierung „andere Hilfen, bei denen kein
gesetzlicher Vertreter bestellt wird“ entspricht § 1896 Absatz 2 Satz 2 BGB. Sie stellt
– wie bisher – einen Auffangtatbestand für alle sonstigen Hilfen dar, unabhängig
davon, ob es sich um eine rein tatsächliche Unterstützung durch Familie, Freunde,
Bekannte oder Nachbarn handelt oder um eine andere formelle Art der
Unterstützung. Allen diesen Hilfen und Unterstützungsformen ist gemein, dass
hierdurch kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird und daher kein Grundrechtseingriff
erfolgt, der mit der Bestellung eines Betreuers verbunden wäre. Anders als im
geltenden Recht ist der Vergleichsmaßstab mit der Betreuerbestellung jedoch nicht
mehr die „ebenso gute Besorgung“ durch andere Hilfen, vielmehr geht es hier
weniger um eine dauerhafte Begleitung, was der Begriff „besorgen“ beinhaltet,
sondern darum, dass konkrete Angelegenheiten tatsächlich erledigt, also
abschließend geregelt werden.
Die Ergänzung „insbesondere durch solche Unterstützung, die auf sozialen Rechten
oder anderen Vorschriften beruht“ zielt darauf ab, die als vorrangige „andere Hilfen“
in Betracht kommenden Formen der Unterstützung künftig konkreter zu bezeichnen.
Gegenüber der bisherigen Formulierung in § 1896 Absatz 2 Satz 2 zweite
Alternative BGB sollen die vorrangige Hilfe durch andere Unterstützungsformen
deutlicher benannt und der Nachrang der rechtlichen Betreuung insbesondere
gegenüber solchen Hilfen klargestellt werden, die auf einer anderen gesetzlichen
Grundlage beruhen. Durch die Ergänzung wird der Begriff „soziale Rechte“ aus § 2
Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) aufgenommen und deutlich gemacht, dass

jede Form der Unterstützung, die auf einer sozialrechtlichen Vorschrift beruht,
Vorrang vor der Bestellung eines rechtlichen Betreuers hat. Diese Klarstellung
erscheint erforderlich, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG,
Urteil vom 30. Juni 2016, Az.: B 8 SO 7/15 R, Rn. 21 f.) derzeit die Gewährung
sozialer Hilfen dann nicht in Betracht kommt, wenn ein rechtlicher Betreuer bestellt
ist, der die „soziale Leistung“ erbringt, d.h. nach der Rechtsprechung des BSG ist
das Vorhandensein einer rechtlichen Betreuung bei der Leistungsgewährung der
Sozialleistungsträger zu berücksichtigen. Um zu vermeiden, dass hieraus der
Schluss gezogen wird, die Bestellung eines rechtlichen Betreuers sei bereits
angezeigt, sobald eine Unterstützung des Betroffenen bei der Beratung zu etwaigen
sozialrechtlichen Leistungsansprüchen notwendig erscheint, erfolgt diese
Klarstellung. Es sollen hingegen keine konkreten anderen Hilfen, insbesondere
sozialrechtlicher Art, als vorrangig benannt werden, da in diesem Fall immer die
Gefahr der Unvollständigkeit besteht. Daneben kommen aber auch Hilfen nach
anderen gesetzlichen Vorschriften, etwa im Rahmen der Bewährungshilfe, in
Betracht, weswegen die Benennung von sozialrechtlichen Vorschriften nicht
abschließend sein kann.

(4) Die Bestellung eines Betreuers erfolgt auf Antrag des Volljährigen oder von Amts wegen. Soweit der Volljährige seine Angelegenheiten lediglich aufgrund einer körperlichen Krankheit oder Behinderung nicht besorgen kann, darf ein Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.

Zu Absatz 4
In Absatz 4 sind die bisher in § 1896 Absatz 1 Satz 1 und Satz 3 BGB enthaltenen
verfahrensrechtlichen Regelungen zur Einleitung des Betreuungsverfahrens durch
einen Antrag des Volljährigen oder von Amts wegen enthalten. Satz 2 präzisiert die
Regelung des § 1896 Absatz 1 Satz 3 BGB dahingehend, dass das
Antragserfordernis, das Auswirkungen auf die
Aufhebung der Betreuung (§ 1871 Absatz 2 BGB-E) und das Verfahren (§ 281
Absatz 1 Nummer 1 FamFG) hat, nur dann gilt, wenn die Unfähigkeit des
Volljährigen, seine Angelegenheiten zu regeln, allein auf einer körperlichen
Krankheit oder Behinderung beruht. Kommen andere Krankheiten oder
Behinderungen hinzu, bleibt es bei der allgemeinen Regelung in Satz 1. Auch sind
jetzt neben körperlichen Behinderungen auch körperliche Krankheiten einbezogen,
da diese nach der neuen Konzeption auch die medizinische Voraussetzung für eine
Betreuerbestellung erfüllen können (siehe Begründung zu Absatz 1). Die Regelung
aus § 1896 Absatz 1 Satz 2 BGB kann im Hinblick auf § 275 FamFG entfallen. Denn
in der letztgenannten Vorschrift ist in ausreichender Weise klargestellt, dass in
Betreuungssachen der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit
verfahrensfähig ist, also auch einen Antrag auf Bestellung eines Betreuers stellen
kann.

(5) Ein Betreuer kann auch für einen Minderjährigen, der das 17. Lebensjahr vollendet hat, bestellt werden, wenn anzunehmen ist, dass die Bestellung eines Betreuers bei Eintritt der Volljährigkeit erforderlich sein wird. Die Bestellung des Betreuers wird erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit wirksam.

Zu Absatz 5

In Absatz 5 ist die bisher in § 1908a BGB geregelte Möglichkeit der vorsorglichen
Betreuerbestellung für Minderjährige überführt worden.

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