Bisher waren die allgemeinen Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit ein Betreuer
bestellt wird, in § 1896 BGB geregelt, wie auch der Umfang der Betreuung.
Nunmehr sind diese Bereiche getrennt worden. In dem neuen § 1814 BGB werden die
Voraussetzungen festgelegt, bei deren Vorliegen der Staat verpflichtetet ist, Erwachsenen,
deren rechtliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigt ist, Schutz und Fürsorge durch
Bereitstellung des Rechtsinstruments der rechtlichen Betreuung zu gewähren. Sehr wichtig für
die Praxis ist, dass § 1814 BGB künftighin auch die Schwelle ist, an der der Eingriff in das
Grundrecht des Betroffenen auf freie und selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit die
Grenze ist. Die besondere Bedeutung liegt in einer Änderung, die in § 1896 BGB enthalten
ist. Künftighin ist erste Voraussetzung für die Einleitung eines Betreuungsverfahrens, dass ein
tatsächlicher Handlungsbedarf vorliegt. Es muss allerdings die Unfähigkeit des Volljährigen
gegeben sein, seine Angelegenheiten zu besorgen. Dadurch wird der UN-Konvention der
Menschenrechte Folge geleistet. Im Vordergrund steht künftig der konkrete
Unterstützungsbedarf und nicht die medizinische Feststellung von Defiziten. Für den
Praktiker, der sich mit derartigen Fällen befasst aber auch für die Angehörigen muss in
Zukunft im Betreuungsverfahren diese Unterscheidung genau getroffen werden. Im Klartext
heißt es, dass der individuell und konkret zu bestimmende objektive Unterstützungsbedarf in
erster Linie entscheidend ist und nicht der medizinische Befund einer Krankheit oder
Behinderung.
Nochmals zu Erläuterung:
Es müssen drei Momente vorhanden sein:
-Der objektive Betreuungsbedarf,
-der subjektive Betreuungsbedürftigkeit
-die Kausalität zwischen beide Tatbestandsmerkmalen muss kumulativ vorliegen.
Dann ist die Bestellung eines Betreuers gerechtfertigt. Diese drei Tatbestände müssen in
Zukunft vom Gericht beachtet werden. Künftig wird nur noch mehr an eine Krankheit oder
Behinderung angeknüpft und die bisherige Diskriminierung durch die Erwähnung der
psychischen Krankheit bzw. körperliche und geistige oder seelische Behinderung wurde
ersatzlos gestrichen.
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Der Begriff Behinderung ist deswegen weiterhin aufgenommen worden, weil auch diesen
Menschen – ohne dass sie krank sind, der Zugang zu den Betreuungsmöglichkeiten gegeben
sein soll.
Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang auch nochmals darauf hinzuweisen, dass es in
Deutschland nur den rechtlichen Betreuer gibt und nicht den Betreuer für alle
Angelegenheiten. Immer wieder verstehen die betroffenen Angehörigen den Betriff
„Betreuung“ falsch und glauben sie erhalten eine Betreuung auch für Haushaltshilfe und
Ähnliches. Der Betreuer ist nur der rechtliche Vertreter, der für den Betreuten Verträge
abschließt. Das Wort „Betreuung“ hat oftmals und vielfach deswegen zu Missverständnissen
geführt.
Allerdings muss in diesem Zusammenhang auch nochmals deutlich dargestellt werden, dass
unter rechtlicher Vertretung nicht nur die Stellvertretung im Rechtsinne gemeint ist, sondern
der Betreuer hat viel mehr Befugnisse, wie Umgangsbestimmung. Er hat das Recht, das
Telefon und die Post des Betreuten zu kontrollieren. Er kann auch den Aufenthalt des
Betreuten bestimmen und wenn das Gericht die Befugnis im Betreuungsbeschluss gegeben
hat sogar den Umgang des Betreuten mit dritten Personen regeln.
Prof. Dr. Volker Thieler