Die neue gesetzliche Stellvertretung durch Ehegatten

Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 05.03.2021 die Ehegattenstellvertretung in einer neu
gefassten Bestimmung von § 1358 BGB geregelt. Damit kommt die gefasste Bestimmung den
vielfach geäußerten Beschwerden von Ehegatten entgegen, weil diese sich im Notfall nicht
gegenseitig vertreten konnten (die neue Regelung soll ab 01.01.2023 gelten).

Mit dem neu geschaffenen § 1358 BGB, der auch nach § 21 LPartG für die Lebenspartner
gilt, wird die Vorsorgevollmacht nicht ersetzt, sondern nur sehr eingeschränkt und nur für
einen Zeitraum von drei Monate erteilt.

Gesetzestext:

§ 1358

Gegenseitige Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge
(1) Kann ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit seine
Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen (vertretener Ehegatte), ist der
andere Ehegatte (vertretender Ehegatte) berechtigt, für den zu vertretenden Ehegatten

  1. über Untersuchungen des Gesundheitszustandes, über Heilbehandlungen oder ärztliche
    Eingriffe zu entscheiden sowie ärztliche Aufklärungen entgegenzunehmen,
  2. Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der
    Rehabilitation und der Pflege abzuschließen und durchzusetzen,
  3. über Maßnahmen nach § 1831 Absatz 4 zu entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme
    im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet, und
  4. Ansprüche, die dem vertretenen Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten
    zustehen, geltend zu machen und an die Leistungserbringer aus den Verträgen nach Nummer
    2 abzutreten oder Zahlung an diese zu verlangen.
    (2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 und hinsichtlich der dort genannten
    Angelegenheiten sind behandelnde Ärzte gegenüber dem vertretenden Ehegatten von ihrer
    Schweigepflicht entbunden. Dieser darf die entsprechenden Krankenunterlagen einsehen und
    ihre Weitergabe an Dritte bewilligen.
    (3) Die Berechtigungen nach den Absätzen 1 und 2 bestehen nicht, wenn
  5. die Ehegatten getrennt leben,
  6. dem vertretenden Ehegatten oder dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene
    Ehegatte
    a) eine Vertretung durch ihn in den in Absatz 1 genannten Angelegenheiten ablehnt oder
    b) jemanden zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat, soweit diese
    Vollmacht die in Absatz 1 bezeichneten Angelegenheiten umfasst,
  7. für den zu vertretenden Ehegatten ein Betreuer bestellt ist, soweit dessen Aufgabenkreis die
    in Absatz 1 bezeichneten Angelegenheiten umfasst, oder 4. mehr als drei Monate seit dem
    durch den Arzt nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 festgestellten Zeitpunkt vergangen sind.
    (4) Der Arzt, gegenüber dem das Vertretungsrecht ausgeübt wird, hat
  8. das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 und den Zeitpunkt, zu dem diese
    spätestens eingetreten sind, schriftlich zu bestätigen,
  9. dem vertretenden Ehegatten diese Bestätigung mit einer schriftlichen Erklärung über die
    Voraussetzungen nach Absatz 1 und Ausschlussgründe nach Absatz 3 vorzulegen und
  10. sich von dem vertretenden Ehegatten schriftlich versichern zu lassen, dass
    a) das Ehegattenvertretungsrecht wegen der Bewusstlosigkeit oder Krankheit, aufgrund derer
    der Ehegatte seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann,
    bisher nicht ausgeübt wurde und
    b) kein Ausschlussgrund für das Vertretungsrecht vorliegt. Das Dokument ist dem
    vertretenden Ehegatten für die weitere Ausübung der Vertretungsberechtigung
    auszuhändigen.
    (5) Das Vertretungsrecht nach Absatz 1 darf ab der Bestellung eines Betreuers, dessen
    Aufgabenkreis die dort bezeichneten Angelegenheiten umfasst, nicht mehr ausgeübt werden.
    (6) § 1821 Absatz 2 bis 4, § 1827 Absatz 1 bis 3, § 1828 Absatz 1 und 2, § 1829 Absatz 1 bis
    4 sowie § 1831 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 2 gelten entsprechend.“

In der Vergangenheit wurde immer wieder gerügt, dass Ehegatten im Krankenhaus, wenn ein
Notfall bezüglich des anderen Ehegatten eingetreten ist, keine Auskunft erhalten und auch
nicht mitentscheiden können, weil sie keine Vorsorgevollmacht haben. Es wurden dann
schnell ein Betreuungsverfahren initiiert, das oftmals bei schneller Erholung des Ehepartners
wieder aufgehoben werden mussten. Eine Motivation des Gesetzgebers war mit Sicherheit
diese kostenträchtig und zeitintensiven Verfahren zu verhindern und die Gerichte zu entlasten.
Aus diesem Grund hat man nunmehr die 3-Montas-Regelung geschaffen. Diese bedeutet, dass
die Ehepartner sich maximal für drei Monate gegenseitig vertreten können.

Der Gesetzgeber geht anscheinend vom Gesetzestext davon aus, dass erst im akuten Notfall,
wenn also die Handlungsunfähigkeit eingetreten ist, das Stellvertretungsrecht des Ehepartners
eingreifen wird. Die Frage ist noch zu klären, ob nicht der Ehepartner schon vorher, also für
die Zukunft, sich für derartige Notfälle eine entsprechende Ehegattenvertretung ausstellen
lassen kann. Nach Ansicht des Verfassers ist eine derartige Regelung, also die
Vorausbescheinigung wohl kaum im Sinne des Gesetzgebers.

Aufgrund der neuen Bestimmung hat der Arzt nunmehr die Möglichkeit in das
Vorsorgeregister Einsicht nehmen. Die Stellvertretung ist nur dann vom Arzt zu bestätigen,
wenn der in der Notlage sich befindliche Ehepartner in der Vergangenheit nicht die
Stellvertretung abgelehnt hat oder dem Arzt durch Dritte diese Mitteilung bekannt wird, dass
die Stellvertretung abgelehnt wird. Gleiches gilt natürlich auch, falls dem Arzt bekannt ist
oder durch die nunmehr mögliche Einsichtnahme in das Vorsorgeregister bekannt wird, dass

ein Widerspruch gegen die Stellvertretung dort eingetragen wurde. Der Umfang der
Vertretungsmacht betrifft auch die eingetragene Lebenspartnerschaften aufgrund von § 21
LPartG.

Sehr wichtig für die Praxis dürfte die Regelung sein, die sich aus Art. 15 EGBGB ergibt, dass
auch bei inländischen Notfällen die Vertretungsmacht anzunehmen ist, selbst wenn aufgrund
anderer Kollisionsnormen ein ausländisches Recht anwendbar wäre. Das Klinikpersonal, die
Ärzte, Verwaltung ist durch diese Regelung von zeitraubenden Nachfragen entlastet und kann
sich besser um die Notfalllage kümmern.

Die Durchsetzbarkeit der neuen Ehegattenvertretung ist nur möglich aufgrund der nunmehr
auch gegebenen Verschwiegenheitsentbindungserklärung gegenüber Ärzten, die bisher
gegenüber dem Ehepartner, die bisher keine Vorsorgevollmacht hatten, eine Schweigepflicht
hatten und sich bei Weitergabe von Informationen strafbar gemacht hätten. Nunmehr darf der
Ehepartner auch nicht nur die Information vom Arzt abfragen, sondern der Arzt muss
Auskunft erteilen. Der Ehepartner darf auch die entsprechenden Krankenunterlagen beim Arzt
oder der Klinik einholen und an Dritte weitergeben.

Problematisch dürfte oft die Feststellung des Zeitpunkts sein, ab wann die 3-Monats-Frist gilt.
Wenn der Ehegatte nicht erreichbar oder mental nicht erreichbar ist aufgrund der Notsituation,
in der er sich auch durch den Zustand seines Ehepartners befindet, wir der Arzt wohl von dem
Zeitpunkt der Einlieferung ins Krankenhaus auszugehen haben.

Bevor der Arzt dem Ehepartner die Bestätigung der Vertretung ausstellt, muss sich eine
Bestätigung des Ehepartners, der die Vertretungsvollmacht haben will, geben lassen, dass er
die Vollmacht nicht schon einmal ausgeübt hat. Letztendlich muss er sich bestätigen lassen,
dass der Ehepartner nicht bei mehreren Ärzten die gleiche Erklärung verlangte. Die
entsprechende Information und Fragen sind durch den Arzt des Klinikpersonals an den
Ehegatten zu richten. Ob dies in der Praxis aufgrund des engen Zeitrahmens in Notsituationen
möglich ist, ist fraglich. Es ist keine ausführliche gutachterliche Stellungnahme des mit dem
Notfall befassten Arzt notwendig, sondern entsprechende schriftliche Erklärung, dass die
Ausschlusstatbestände für die Vertretungsvollmacht nicht vorliegen. Der Mehraufwand, den
die Gerichte sich gespart haben, dürfte nach Ansicht des Verfassers auf die Ärzte und
Klinikpersonal zukommen. Die Praxis wird zeigen, wieweit das möglich ist.

Prof. Dr. Volker Thieler

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